Kommunale Wärmeplanung Jena: Zwischenstand erstmals öffentlich diskutiert
Sep 27, 2024, 1:12:37 PM | Stadtwerke Energie Jena-Pößneck | Aktuelles | Energie- & Wärmewende | Nachhaltigkeit
Einen ersten Einblick in die Erarbeitung der Kommunalen Wärmeplanung für die Stadt Jena gaben die Vertreter von Hamburg Institut Consulting (HIC) am vergangenen Donnerstag (19. September 2024) zum BürgerEnergie-Treff. Auch Stadtwerke Energie-Geschäftsführer André Sack stellte in diesem Rahmen die Aktivitäten der Stadtwerke aus dem Themenspektrum der Energie- und Wärmewende vor. In der voll besetzten Rathausdiele gab es anschließend eine rege Diskussion und viele Fragen.
Etwas mehr als die Hälfte des Weges hin zum Kommunalen Wärmeplan hat die Hamburg Institut Consulting GmbH (HIC) inzwischen geschafft: Der aktuelle und zukünftige Wärmebedarf für das gesamte Stadtgebiet sind ermittelt. Und auch die Potenzialanalyse, aus welchen erneuerbaren Energien dieser Wärmebedarf künftig gedeckt werden könnte, ist weitgehend abgeschlossen. In zwei sogenannten Akteurstreffen wurden die Zwischenergebnisse bereits mit Vertretern von Politik und Verbänden, mit Wohnungsgesellschaften und Großabnehmern besprochen und diskutiert.
Erste Veranstaltung zur Öffentlichkeitsbeteiligung an Kommunaler Wärmeplanung
Entsprechend war es nun an der Zeit, zu einer ersten Veranstaltung zur vom Wärmeplanungsgesetz ebenfalls geforderten "Öffentlichkeitsbeteiligung" einzuladen. Dafür nutzten HIC und die Stadt Jena den monatlich stattfindenden BürgerEnergie-Treff der BürgerEnergie Jena e.G. Außerdem stellte Stadtwerke Energie-Geschäftsführer André Sack unsere Aktivitäten im Themenspektrum der Energie- und Wärmewende vor und verwies gleichzeitig auf die wenige Tage zuvor veröffentlichte Karte zu den Fernwärmeausbauplänen für Jena.
Das Interesse an der Veranstaltung war durchaus groß, wie der Aufsichtsratschef der einladenden Genossenschaft Reinhard Guthke zur Begrüßung schmunzelnd anmerkte. "Wir haben heute den 48. BürgerEnergie-Treff - aber die Rathausdiele gefüllt haben wir mit unseren Themen bisher noch nie." Wie ein kurze Umfrage zu Beginn der Veranstaltung ergab, waren nahezu zwei Drittel der Anwesenden selbst Immobilienbesitzer. Fast alle nutzten eine eigene Heizungsanlage, für viele steht in den kommenden Jahren die Frage nach einer Modernisierung der Heizung an. Die wenigsten allerdings hatten sich bisher mit einem Anschluss an ein zentrales Wärmenetz beschäftigt.
"Dezentrale Umgebungsluft-Wärmepumpe wichtigste Wärmequelle in Jena"
Genau das spiegelt nach Einschätzung von Nico Jaeschke, gemeinsam mit Projektleiterin Paula Möhring bei Hamburg Institut verantwortlich für die Wärmeplanung für Jena, die Erkenntnisse ihrer Analysen wider. Auf etwas mehr als 1.000 Gigawattstunden belaufe sich der jährliche Wärmebedarf der Stadt Jena derzeit, bei Ausnutzung aller Sanierungs- und Modernisierungspotenziale könne er perspektivisch auf 800 Gigawattstunden pro Jahr sinken.
Potenzial zur Deckung dieses Wärmebedarfs aus erneuerbaren Quellen sehe HIC vor allem in der Flussthermie der Saale und der Nutzung von Abwärme aus der Kläranlage oder der Industrie. Noch in Prüfung sei man bei der Nutzung von Wasserstoff und dem Einsatz von Power to Heat (Strom zu Wärme). Große Potenzial bescheinige er der Nutzung der Umgebungswärme mittels Luft-Wärmepumpen. Neben zentraler Wärmeversorgung werde es weiterhin einen großen Anteil an dezentralen Lösungen geben. "Es gibt in Jena mit 56 Prozent der Haushalte bereits einen hohen Versorgungsgrad mit Fernwärme aus zentralen Wärmenetzen. Dieser Anteil wird auch steigen", so Jaeschke. "Aber für alle Stadtgebiete geeignet ist das nicht." Vor allem in den weniger dicht besiedelten äußeren Stadtgebieten werde es auf Einzelhauslösungen hinauslaufen müssen, die in den meisten Fällen strombasiert sein werden. "Die dezentrale Umgebungsluft-Wärmepumpe wird aus unserer Sicht zur wichtigsten Wärmequelle in Jena werden", schilderte der Planer aus Hamburg seine Zwischenergebnisse.
Zielszenarien bis Ende des Jahres, Verabschiedung im ersten Quartal 2025
Diese Erkenntnisse sollen nun bis Ende des Jahres in ein sogenanntes Zielszenario und einen Strategie- und Maßnahmenplan münden, ehe der Wärmeplan im ersten Quartal 2025 diskutiert und schließlich vom Stadtrat verabschiedet werden kann, blickte Jaeschke voraus.
Um dem Wärmeplan Gültigkeit und auch Verbindlichkeit zu verleihen, schließt sich danach ein weiterer Prozess an, in dem die Stadt Jena die einzelnen Quartiere als Wärmegebiete für ein Wärmenetz, für Heizen mit Strom oder sogar für Heizen mit Wasserstoff ausweist und damit die zu wählende Versorgungslösung festschreibt, erklärte Jenas Klimaschutzkoordinator Kevin Muschalle-Momberg das weitere Vorgehen. Sind diese Wärmegebiete durch die Stadt Jena erst einmal ausgewiesen, erlange im Übrigen das Gebäudeenergiegesetz seine volle Gültigkeit auch für Besitzer von Bestandsimmobilien. Diese müssten von da an bei der Erneuerung ihrer (nicht mehr reparablen) Heizungsanlage auf 65 Prozent Wärme aus Erneuerbaren Energien setzen.
Enge Zusammenarbeit mit den Stadtwerken Jena Netze
Die Stadtwerke als maßgeblicher Umsetzungspartner für das erarbeitete Zielszenario seien eng in die Erstellung der Wärmeplanung eingebunden, betonte Nico Jaeschke. Mit den Stadtwerken Jena Netze, die Teil der Kerngruppe für die Wärmeplanung sind, stehe man inzwischen im wöchentlichen Austausch, um die vorhandenen Strategien und Pläne der Stadtwerke in die Planung einfließen zu lassen.
Wie umfassend die Vorarbeit seitens der Stadtwerke bereits ist, schilderte Energie-Geschäftsführer André Sack in einem kurzen Impulsvortrag.
- mit der Wärmenetzstrategie 2040 gibt es einen gemeinsam mit der TEAG entwickelten Plan, wie die Fernwärmeerzeugung im Kraftwerk Jena-Winzerla bis 2040 aus erneuerbaren Energien erfolgen kann
- mit dem Projekt ANIKA wollen die Stadtwerke überdies das Abwärme-Potenzial der Zentralkläranlage in Jena-Zwätzen für eine grüne Nahwärmeversorgung nutzen
- wir haben bereits konkrete Ausbau- und Verdichtungspläne für das Fernwärmenetz von Jena entwickelt und diese Anfang der Woche in Form einer digitalen Karte für potenzielle Kunden auch veröffentlicht
- wir arbeiten an einer aus Fördermitteln des Bundes finanzierten Transformationsplanung, die bis Mitte 2025 einen konkreten Maßnahmen-, Zeit- und Investitionsplan zur Umsetzung all dieser Vorhaben liefern soll
- wir beschäftigen uns mit der Zukunft unserer Erdgasnetze und deren teilweiser Weiternutzung als Wasserstoffnetze
- wir entwickeln das Zielnetz Strom, um den steigenden Bedarfen durch das Heizen mit Wärmepumpen und die Verkehrswende hin zur Elektromobilität ebenso gerecht zu werden wie den veränderten Einspeisungen aus privaten PV-Anlagen
- im Projekt JenErgieReal erproben wir intelligente Lösungen, um durch digitale Steuerung Energiebedarfe und Energieverbräuche aus den Sektoren Strom und Wärme, Wohnen und Verkehr besser aufeinander abzustimmen und so Netzüberlastungen zu verhindern und den nötigen Stromnetzausbau zu reduzieren
"Sie sehen, die Herausforderungen sind vielfältig und die Aufgabenstellungen komplex", so André Sack abschließend. "Aber wir stellen uns den Themen und wollen mit unseren Kundinnen und Kunden dazu in den Austausch kommen."
Viele Fragen von einem diskussionsfreudigen Publikum
Dieser Austausch ließ in einer lebhaft diskutierenden Runde nicht lange auf sich warten. Rede und Antwort standen Geschäftsführer André Sack, Bereichsleiter Strategie Christian Dornack und Vertriebsleiter Udo Weingart zu einer ganzen Reihe von Fragen; hier eine Auswahl:
Wie wird sich die Transformation auf die Preisentwicklung im Bereich der Fernwärme auswirken?
Andre Sack: Das lässt sich aktuell nicht sagen, da dieser maßgeblich von der Förderkulisse für die nötigen Investitionen, aber auch für den Betrieb der Netze und Anlagen, abhängt und auch von den Gestehungskosten für die genutzte grüne Energiequelle zur Fernwärmeerzeugung.
Wird Wasserstoff auch für Privatkunden nutzbar sein?
Christian Dornack: Wahrscheinlich ja, jedoch zu Beginn in geringem Maße aufgrund der zumindest anfangs begrenzten Verfügbarkeit. Eine 1:1-Transformation des jetzigen Erdgasnetzes in ein Wasserstoffnetz ist definitiv nicht vorgesehen. Einzelne Quartiere als Wasserstoffeignungsgebiete auszuweisen, ist aktuell noch Gegenstand der Prüfung in der Kommunalen Wärmeplanung.
Welche Heizungsform wird für Hausbesitzer in eng bebauten Wohngebieten mit Altbaubestand vorgeschlagen, die weder für die Fernwärme vorgesehen sind, noch Platz für Wärmepumpen haben?
Udo Weingart: Wir bitten zunächst noch um etwas Geduld. Hier arbeiten wir an Konzepten, die z.B. in einem kalten Wärmenetz bestehen könnten, das als Wärmequelle für private Wärmepumpen dienen könnte. So muss keine laute Luft-Wärmepumpe am Haus errichtet werden, sondern kann eine platzsparende und geräuscharme Wasser-Wärmepumpe im Keller installiert werden.
Auf welcher Grundlage wird denn die "günstigste" oder am besten geeignete Heizungsform im jeweiligen Quartier ermittelt?
Paula Möhring: HIC legt einen sogenannten Vollkostenansatz pro Gebäude zugrunde. In die Betrachtung einbezogen werden Anschaffungskosten, die Kosten für den genutzten Energieträger und auch laufende Kosten, z.B. für den Schornsteinfeger oder Wartungsleistungen. Verglichen werden zukünftige Kosten für die jeweiligen Energieträger aufgeschlüsselt in Fünf-Jahres-Scheiben. Es gibt keine "Rückwärtsvergleiche" oder Vergleiche mit heutigen Preisen. Zugegebenermaßen sind Preisprognosen für z.B. Wasserstoff schwierig, für Erdgas ist der vereinbarte CO2-Preis ein Indikator, für Wasserstoff gibt es nur unklare Prognosen, für Strom ist die Preisprognose klarer.
Wird das Stromnetz den künftigen Anforderungen gerecht werden können?
Christian Dornack: Als Stromnetzbetreiber mit mehr als 100.000 Abnahmestellen sind wir Teil der Planungsregion Ost und erstellen sowie veröffentlichen alle zwei Jahre den Netzausbauplan Strom. Auf Basis von Regionalszenarien und Netzprognosen entwickeln wir unser Zielnetz Strom bis zum Jahr 2045. Wir identifizieren die vermutlichen Netzengpässe im Versorgungsgebiet, wo es bei Leistungsspitzen zu Netzüberlastungen kommen könnte, und planen entsprechende Ausbaumaßnahmen. Übergangsweise können die Regelungen aus dem Paragraph §14a EnWG zur "Dimmbarkeit" bestimmter Verbrauchsanlagen zur Anwendung kommen, welche jedoch einen Netzausbau nach sich ziehen.